habt noch eine Chance, ich spüre das!" "Mach ich. Und Danke", erwiderte Flo und schloss die Tür hinter ihr. Alle Details seiner romantischen Lügengeschichte, die eigentlich nur davon ablenken sollte, dass er sich Sorgen um seine Schwester machte, hatten ihn einige Zeit gekostet. Ihm stellte sich deshalb jetzt die Frage, ob Leonie überhaupt noch wach war. Zurück in seinem Zimmer überlegte er hin und her, bis ihm ein Ritual aus der Kindheit einfiel, das er mit seiner Schwester immer kurz vor dem Einschlafen durchgeführt hatte: Klopfzeichen. Auch wenn ihre Zimmerwände nirgends direkt aneinander grenzten, kamen diese Geräusche an. Allzu penetrant wollte er es jedoch nicht machen, denn falls Leonie tatsächlich schon schlief, wollte er sie nicht aufwecken. So klopfte er mit kleinen Pausen sechs Mal gegen die Wand. Klopf. Leonie war in Gedanken gerade wieder bei Jonas. Klopf. Nicht im Ernst, dachte sie, als das zweite Klopfen ertönte. Klopf. Sie verdrehte genervt die Augen und verkroch sich unter ihrem Kopfkissen. Das nächste Klopfen war nur noch dumpf und sehr weit entfernt zu hören. Nicht genug, dass sie an diesem Tag ihrem besten Freund das Herz hatte brechen müssen und mit niemandem darüber reden konnte. Auch das fünfte Klopfen kam noch leise unter ihrem Kopfkissen an. Jetzt musste sie auch noch ihrem großen Bruder zuhören, wie er diese billige Bitch gegen die Wand bumste. Es gab nur einen Ausweg: So schnell wie möglich einschlafen. Das war mit ihrem Gefühlschaos nahezu ...
unmöglich. Also wollte sie erstmal das Klopfgeräusch abstellen, so gut es ging, und fing an, unter dem Kopfkissen in Lauten eine unbestimmte Melodie von sich zu geben. "Lalalalalalalalalalalalalalalalalalalala!" Lange reichte die Luft dafür nicht, also musste sie nun wohl oder übel unter dem Kopfkissen hervorkommen. Die Stille ließ sie mit Genugtuung feststellen, dass der Sex im Nebenzimmer wohl vorbei war. Sie dachte an den Morgen zurück und sehnte sich danach, wieder in Flos Armen zu liegen. Eine bessere Einschlafhilfe gab es nicht. An anderen Tagen hätte sie nun einfach zu ihm herüber gehen und sich zu ihm ins Bett legen können, aber das war ja jetzt dank der blöden Blondine nicht möglich. Unruhig wälzte sie sich hin und her und wartete darauf, endlich einschlafen zu können. Am Sonntagmorgen sah Flo die Gelegenheit gekommen, sich endlich um Leonie zu kümmern, also betrat er wie am Samstag um halb neun ihr Zimmer durch die Badezimmertür. Kaum hatte sie ihn gehört, sprang sie aus dem Bett und rauschte im T-Shirt und seiner Boxershorts an ihm vorbei. "Morgen", presste sie lustlos heraus, während sie im Bad verschwand. Verdutzt wartete Flo ab, bis die Toilettenspülung ging. Er vermutete zunächst, dass Leonie wegen eines dringenden Bedürfnisses so kurz angebunden gewesen war. Erst als er die Dusche laufen hörte, begriff er, dass sie nicht vorhatte, wieder ins Bett zu gehen. Also betrat er ebenfalls das Bad und putzte sich die Zähne. Als die Dusche nicht mehr lief, reichte er Leonie wie ...