brauchen. Ich wollte nur bei meiner Familie sein. Aber ich verstand, warum sie hier waren. Also atmete ich tief durch, lächelte, rückte meine „Maske" wieder zurecht und zwang mich zu einer Freundlichkeit, die ich im Moment, gerade auch gegenüber Miriams Vater, so nicht empfand. „Melanie liegt zur Überwachung noch auf der Intensivstation. Sie ist noch nicht wirklich wach und schon gar nicht orientiert. Aber ihr geht es den Umständen entsprechend wirklich gut. Das meine ich nicht als dahingesagte Floskel. Es ist wirklich so." Ein kleiner Rundblick. Erleichterung zeichnete sich vor allem auch auf den Minen meiner kleinen Lütten ab. „Der Schädelknochen ist auf der linken Seite etwas angeknackst. Sie hat ein gut erkennbares Veilchen. Die nennen das Monokel- Hämatom. " Ich ließ das Gesagte einen Moment sacken. „Aber im Moment keine gefährlichen Blutungen. Keine erkennbaren Schäden... eine schwere Gehirnerschütterung und davon wird sie sich schnell wieder erholen." Ich atmete durch und nickte in die Runde. Ich wollte gerne auch selbst an das glauben, was ich das gerade sagte. „Sie muss erst mal wieder wach werden. Dann werden noch ein paar Untersuchungen und Test fällig werden und sie muss zur Beobachtung noch ein paar Tage hier bleiben. Dann, wenn alles passt, darf sie wieder nach Hause, soll sich aber erst einmal etwas schonen." Ich blickte Achim und Sabine an, die beide das Gesicht verzogen. Ich gebe es zu - das was ich sagte, klang für die beiden vielleicht etwas zu ehrlich und ...
direkt. Aber so waren sie halt auch aufgewachsen. Und ich hatte obendrein einfach nicht mehr die Kraft, alles schön zu reden. Die letzten beiden Tage waren ziemlich aufwühlend. „Wird sie wieder gesund?" fragte Sabine „Ja mein Spatz. Aber ich glaube, ihr wird es am Anfang immer mal wieder schlecht werden. Und wenn Melanie aufstehen will, kann es sein, dass ihr erst mal schwindelig wird." Ich blickte in die Familienrunde. „Da werden wir halt alle mit ran müssen, ihr zu helfen und sie zu entlasten... erst mal keine Hausarbeit." Die Pettersons waren blass, mein Vater sah ernst aus und meine Mutter wirkte etwas erleichtert. Achim hatte Tränen in den Augen und Sabines Gesichtsausdruck kannte ich. In ihr rumorte es. Sie dachte nach. So sah Melanie vor etlichen Jahren auch aus, als sie erfuhr, dass ihre Mutter ganz schlimm krank war und Hilfe brauchte. Damals überlegte sie, was sie alles machen könnte, um ihrer Mutter zu helfen. Genau so sah jetzt Sabine aus. Man konnte ihre Gedanken förmlich rattern hören. „Ist mit dem Gehirn wirklich alles in Ordnung?" Meine Mutter fragte und wie immer traf sie den zentralen... den wunden Punkt. Genau dort, wo es wehtat. „Es hat unter dem gebrochenen Schädelknochen eine kleine Einblutung gegeben. Es blutet nicht weiter. Im Moment ist das noch nicht gefährlich. Das ist wohl auch der Grund, warum sie noch nicht wach ist. Aber sie wird es in Kürze werden. Und das mit der Blutung haben die im Auge. Nach jetzigem Sachstand wird sie nicht operiert werden ...