ungezwungen tragen zu sehen. Er wirkte so, als ob er damit besser zurechtkäme und aussah, als die meisten jungen Männer, die er kannte. Von Mandy wusste er zwar, dass Martin nach ihrer Kenntnis sich mit Mädchen traf. Nachdem er ihn aber so persönlich erlebt hatte, hatte er den Eindruck, als ob Martin sich durchaus mit der Beziehung zu einem Mann einverstanden sein könnte, vielleicht auch zunächst nur auf einer unterbewussten Ebene. Damit war plötzlich auch der Kitzel in ihm erwacht. Der Kitzel, ob es nicht möglich war, eine länger anhaltende Beziehung aufzubauen, länger als ein Wochenende. Im russischen Militär war eine homosexuelle Neigung etwas, das strikt versteckt werden musste. Er war als junger Leutnant verheiratet gewesen und hatte wirklich versucht, seine Neigung zu unterdrücken. Er mochte Frauen, aber er mochte auch Männer. Es war ihm wohl nicht hundertprozentig gelungen -- jedenfalls hatte sich seine Frau von ihm scheiden lassen. Damals war er sowohl traurig als auch erleichtert gewesen. Erleichtert, weil ihm seine Schwiegermutter gewaltig auf den Wecker gegangen war. Sie war so eine richtige Matroschka, eine weibliche Wortlawine mit einem hängenden, gewaltigen Busen und Oberschenkeln, die es im Durchmesser mit Elefantenbeinen aufnehmen konnten. Diese Art von überwältigender Weiblichkeit schreckte ihn. Aber auf der Ebene mit Männern hatte es nur kurzfristige Beziehungen gegeben -- meistens für eine durchzechte Nacht. Das längste an Dauer war ein Monat gewesen, der ...
aber nur wegen eines Urlaubs möglich gewesen war und mit Frauen war es nicht besser gewesen. Im Gegenteil, mit Frauen fühlte er sich nicht richtig wohl. Vielleicht war diese Situation jetzt ein Wink des Schicksals? Er fühlte sich jedenfalls auf eine schwer erklärliche Weise zu Martin hingezogen. Ihm war auch klar, dass seine Intuition, dass auch Martin homosexuelle Neigungen haben könnte, keine Gewissheit war -- und außerdem, so wie es aussah, eine beträchtliche Überzeugungsarbeit erforderlich machen würde. Martin war sicherlich auch eine absolut seltene Gelegenheit. Er war einer der seltenen Männer, die ohne viel Aufwand überzeugend als Frau herüberkommen konnten. Das war für ihn ein eminent wichtiges Argument. So könnte er offen eine Beziehung führen, ohne die Probleme davon zu haben. Gleichzeitig waren schlanke, zierliche Frauen mit ausreichend Kurven ein optisches Fest für ihn, auch wenn ihn nach einer Woche ihr ständiges Geplapper nervte. Er sah sich erneut Martin an, der sich nun im Uniformrock vor ihm befand. Er hatte ‚hübsche Beine' gesagt und das so auch gemeint. Der Rock reichte bis gut auf eine Handbreit über dem Knie. Die Oberschenkel sahen rund und schier aus und die Waden wirkten auch hübsch weiblich. Jetzt fehlte es nur noch an dem richtigen Eindruck bei der Bluse, damit es so ähnlich wie bei Mandy aussah. Oberstabsarzt Kastrop mochte sich daran erinnern. Martin konnte nicht für den Abend in der Uniformjacke sitzen bleiben, um diese Erinnerung zu verhindern. Er ...