1. Die alte Dame aus dem Haus


    Datum: 30.07.2018, Kategorien: Reif Autor: Dofry

    bis ich bemerkte, dass ich tatsächlich Hals über Kopf losgegangen war und mir nicht die Mühe gemacht hatte, mir eine lange Hose oder ein Hemd überzuziehen. Jetzt war es mir peinlich. Ich befand mich in einer fremden Wohnung, bei meiner Nachbarin, die mehr als dreimal so alt war wie ich und trug nichts weiter als Boxershorts und ein T-Shirt. Bei einer Frau, mit der ich vorher nie in wirklichen Kontakt gekommen war. Und dennoch fühlte ich mich nicht fremd. Sie war es, die mir das Gefühl von Vertrautheit vermittelte. Und sie riss auch das Gespräch an sich. Wie alte Bekannte saßen wir schon nach wenigen Minuten zusammen, sie erzählte mir von sich, beklagte sich auch über meinen Musikgeschmack, den sie zwangsläufig mit anhören musste und redete mir intensiv ins Gewissen, dass meine nächtlichen Bekanntschaften völlig unter meinem Niveau seien. Eine solche Vertrautheit mit einer Frau hatte ich lange nicht verspürt. Ich hatte das Gefühl, sie würde sich tatsächlich für mich interessieren und sorgte sich um mich. Und ich war überrascht, dass ich frei von der Leber weg mit ihr plauderte, bereitwillig erzählte, ihr hier und da Fragen stellte, die sie ohne zu zögern beantwortete. Die Jahre, die zwischen uns lagen, verebbten während unseres Gespräches, und es kam mir vor, als wären wir von kleinauf Vertraute. Es muss ein seltsames Bild gewesen sein, wie wir in Schlafklamotten so gegenüber saßen, Bier tranken und plauderten. Schließlich verabschiedete sie mich höflich, aber doch bestimmt. ...
     Und als sie mich zur Tür brachte, war es ganz eigenartig: Eine Mischung aus Sit-In mit einer Freundin und einem gelungenen Rendezvous. Das Rendezvous überwog, und ich verspürte das dringende Bedürfnis, ihr mit einem Gute-Nacht-Kuss für den Abend zu danken. Wie selbstverständlich näherte sich mein Kopf ihrem, um sie zu küssen. Sie unterbrach diesen Rausch mit einem sehr sachlichen "Ich küsse nie beim ersten Rendezvous!" Das kam so barsch, dass ich aus meiner Trance erwachte. Ein Schub Adrenalin durchfuhr mich, aber sie grinste: "...oder haben Sie Gleichgewichtsstörungen, junger Mann? Gute Nacht!" Doch, sie hatte Humor, das war mir jetzt klar. Er war nur anders als der, welchen ich bis dato gekannt hatte. Man könnte nun denken, nach diesem Abend hätte sich etwas zwischen Frau K. und mir geändert. Dem war aber nicht so. Als hätte ich unser nächtliches Aufeinandertreffen nur geträumt, blieb alles beim Alten. Und das machte mich wahnsinnig. Immer, wenn ich noch freundlicher sie grüßte, blieb ihre Miene wie zuvor. In mir hatte es etwas verändert. Wenn ich abends ausging, bewertete ich plötzlich die sich mir bietenden weiblichen Gelegenheiten nach dem Prinzip: Würde Frau K. diese Frau akzeptieren? Völlig lächerlich. Ich ärgerte mich selbst über mich, dass ich ihr auf einmal so viel Bedeutung beimaß. Sie war auf einmal in meine Welt eingedrungen und schien selbst aber völlig unbeeindruckt von mir. Ich war über mich selbst schockiert, dass ich von ihr so angefixt war. Mein Verhalten ...
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