wie ihre Kinder sich begrüßten, nachdem Toby nach Hause gekommen war. Ihr bot sich ein Schauspiel, das sie so schon länger nicht mehr gesehen hatte, denn statt des üblichen schnellen Schulterklopfens nahm Luisa ihren großen Bruder richtig lange und fest in den Arm und gab ihm sogar einen Kuss auf die Wange. Seinem Gesichtsausdruck zufolge war er ebenfalls irritiert und im Augenwinkel erkannte Julia, dass auch Daniel seine Kinder skeptisch beäugte. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Familie aus dem Gleichgewicht geriet, die Frage war, mit welchen Konsequenzen. Zumindest seinen Vater begrüßte Toby mit einem kumpelhaften Schulterklopfer wie sonst auch. Nachdem Daniel und Luisa einen kurzen Urlaubsbericht losgeworden waren, platzte Julia vor Neugier: „Was war denn jetzt bei Lily los?" „Trennungsschmerz", fasste ihr Sohn die für alle überraschende Information kurz zusammen, „aber wenn ihr mehr wissen wollt, fragt sie selbst." Diese Antwort konnte Julia nachvollziehen, ihr fiel jedoch auf, wie Toby währenddessen die Röte ins Gesicht schoss. Sie war lang genug seine Mutter, um zu wissen, dass er etwas verheimlichte. Das Gleichgewicht, dachte sie, hier stimmt einfach gar nichts mehr. 19. Luisas Bruder hatte sich als Erster vom Frühstück zurückgezogen. Sie räumte das letzte Geschirr vom Tisch ab und folgte ihm in sein Zimmer. Toby hatte sich gerade bis auf weite, blau-gelb karierte Boxershorts und ein Paar hellgrauer Socken ausgezogen, sodass er mit seinem schlanken, nackten Oberkörper ...
vor ihr stand. Die blasse Haut bildete einen deutlichen Kontrast zu seiner bunten Unterhose. Seine hellblauen Augen sahen sie fragend an: „Was ist?" „Ich hab euch gesehen vorhin unten. Lily und dich. Was läuft da wirklich?" Er zögerte einen Moment und streifte die Socken ab, bevor er antwortete: „Hab ich doch gesagt, ich hab sie getröstet, sonst nichts." „Getröstet, soso..." Toby verdrehte genervt die Augen. „Und was läuft bei dir?", wollte er dann wissen, „warum gibst du mir auf einmal Küsschen?" Das war tatsächlich eine sehr gute Frage, die Luisa sich längst selbst gestellt hatte. Ihren Bruder herzlich zu umarmen und ihm die Lippen auf die Wange zu drücken, war keine bewusste Entscheidung gewesen, sie war einfach spontanen Impulsen gefolgt. Inzwischen hatte sie sich selbst eine Erklärung zurechtgelegt: Wenn ihre gemeinsame Cousine Toby küssen durfte, galt das für sie als Schwester doch erst recht. Ein bisschen irre kam Luisa sich zwar vor, aber wahrscheinlich wollte ihr Unterbewusstsein ihr Revier markieren. Ganz so konnte sie das ihrem Bruder natürlich nicht sagen: „Darf ich dir nicht auch mal zeigen, dass ich dich mag?" Toby zuckte mit den Schultern. „Okay..." Sie grinste, machte einen Schritt auf ihn zu und wuschelte ihm durch die kurzen, aber dennoch lockigen, blonden Haare. „Ich hoffe, es war für dich auch so schön wie für mich!", witzelte sie. Ebenso scherzhaft drückte Toby seine Hand gegen ihren Bauch und schob sie beiseite: „Jetzt mach mal Platz, ich will duschen ...